Donnerstag, 12. März 2015

Johannes Althusius und der Föderalismus

Johannes Althusius (1557 - 1638)
Johannes Althusius entstammte zwar einer bäuerlichen Familie, konnte aber Rechtswissenschaft in Basel studieren. Nach seiner Promotion zum Doktor der Rechte in Basel 1586 wurde Althusius als erster Rechtsgelehrter an die von der Föderaltheologie geprägte calvinistisch-reformierte Hohe Schule Herborn berufen. 1604 wurde Althusius zum Rechtssyndikus der Stadt Emden berufen. Er hatte dieses wichtige Amt bis ins hohe Alter inne.

1603 erschien sein Hauptwerk, die "Politica Methodice Digesta", in dem er seine föderalen Gedanken zusammenfasst. Dieses Werk machen ihn zum wichtigsten frühen Denker der föderalistischen Tradition in Deutschland.

Politik ist für Althusius „die Kunst, die Menschen zusammenzuschließen, damit sie untereinander ein gesellschaftliches Leben begründen, pflegen und erhalten.“ Gegenstand der Politik ist daher zunächst die Lebensgemeinschaft, in der die Menschen sich einem „ausdrücklichen oder stillschweigenden Vertrag untereinander zur wechselseitigen Teilhabe all dessen verpflichten, was zum Zusammenleben notwendig und nützlich ist.“ Es ist also die wechselseitige Gemeinschaft und praktische Teilhabe, die dem individuellen Bedürfnis nach Unabhängigkeit ebenso Rechnung trägt wie der gegenseitigen Hilfe zum Leben aller Mitglieder der Gemeinschaft und daher „das gesellschaftliche Leben begründet und bewahrt.“

So habe auch schon Cicero behauptet, „das Volk sei eine Vereinigung, die sich aufgrund rechtlicher Übereinstimmung und des gemeinschaftlichen Nutzens wegen zusammengeschlossen hat. Auf diese Weise werden die Vorteile und Lasten einer Gemeinschaft jeweils ihrer Natur entsprechend empfangen oder getragen.“

Althusius unterscheidet nun zwei Formen von Gemeinschaft: „In der einfachen privaten Gemeinschaft gehen verschiedene Menschen durch besonderen Vertrag eine Symbiose ein, in die sie das einbringen, was sie besitzen und was zu ihrem Wohl beiträgt.“ Eine solche Gemeinschaft – Althusius denkt hier im Anschluss an Aristoteles an die Familie – kann mit Recht als eine ursprüngliche bezeichnet werden und alle anderen gehen von ihr aus. In der öffentlichen Gemeinschaft verbinden sich mehrere private Gemeinschaften, um eine rechtlich verfasste Ordnung zu begründen.“

Der Ursprung aller Gemeinschaft: Die Familie
Das politische Selbstverständnis von Althusius könnte man also als radikal subsidiär bezeichnen. So wie in der calvinistischen Kirchenverfassung die örtliche Gemeinde der eigentliche Souverän ist, so sieht Althusius jegliche staatliche Souveränität als eine Ableitung von ursprünglich kleinen, auf persönlicher Verbindung beruhenden Gemeinschaften wie beispielsweise der Familie.

Letztlich muss daher jeder legitime Staat föderale Strukturen aufweisen. Die Teilgliederungen wiederum haben die Aufgabe, den Staat zu kontrollieren und in an seinen eigentlichen und ursprünglichen Zweck, die Herrschaft des Rechts, zu binden.

Den Repräsentanten der Teilgliederungen – Althusius nennt sie „Ephoren“ – obliegt es, der Freiheit des obersten Magistrats – also der Regierung – Grenzen zu setzen und ihm im Fall des Unrechts oder der Gefahr für das Gemeinwesen entgegenzutreten, ihn in den Grenzen seines Amtes zu halten und schließlich auf jede erdenklich Art und Weise darauf zu achten, „dass das Gemeinwesen nicht durch private Zu- oder Abneigung, durch Tun bzw. Unterlassen oder Müßiggang des obersten Magistrats Schaden nimmt.

Die Aufgaben der Ephoren besteht aber nicht nur darin, darüber zu urteilen, ob der oberste Magistrat seine Pflicht erfüllt oder nicht, sondern auch darin, „ihm Einhalt zu gebieten und Widerstand zu leisten, wenn er tyrannisch wird und die Souveränitätsrechte missachtet und es unternimmt, das dem Gemeinschaftskörper zustehende Recht zu verletzen oder ihm zu entziehen.“

So gehört zu den vornehmlichen Aufgaben des föderalen Staates der Schutz der Untertanen sowie „die rechtmäßige Verteidigung gegen Ungerechtigkeit und zugefügte Gewalt“ – auch und gerade die Ungerechtigkeit und Gewalt, die durch die staatliche Macht selbst verursacht wird.

Weil also die unterschiedlichen Handlungen der Einzelnen auf den Nutzen des ganzen Gemeinwesens und die Gemeinschaft gerichtet werden sollen, so müssen „Untergeordnete und Höhergestellte durch eine Art Gleichheit des Rechts miteinander verbunden werden.“

Die Rechtsordnung und die Gleichheit
vor dem Gesetz - der Schlüssel zur Freiheit!
Das Recht zielt somit „auf den hinlänglichen Lebensunterhalt, die Autarkie, eigene Ordnung und gute Gesetzlichkeit der universalen Gemeinschaft, lenkt die Handlungen der Einzelnen sowie sämtlicher Glieder und schreibt ihnen angemessene Aufgaben vor.“

Die Macht, dieses gemeinsame Recht – heute würden wir den Begriff „Verfassung“ verwenden – zu begründen und sich ihm zu verpflichten kommt dem Volk bzw. allen vereinten Gliedern zu.

Die Souveränität steht also „nicht den Einzelnen, sondern sämtlichen Gliedern des Reichs zusammen und dem ganzen Gemeinschaftskörper zu: ebenso wie es nicht von einem Einzigen, sondern nur von sämtlichen Gliedern der universalen Gemeinschaft zugleich begründet werden kann, genau so sagt man, dass es nicht Sache Einzelner, sonder vielmehr die sämtlicher Glieder ist.“

Die Ausübung des Rechts ist also nicht die Sache eines Einzelnen. Das Recht ist auch nicht das Eigentum eines Einzelnen, sondern sämtlicher Glieder des Reiches, die einvernehmlich darüber verfügen und beraten können.

Aber: „Was sie einmal festgelegt haben, das müssen sie auch halten und leisten, falls nicht aufgrund gemeinsamen Willensentschlusses etwas anderes bestimmt wird.“

So stellt Althusius fest: „Auch besteht das Gemeinwesen nicht des Königs wegen, sondern der König und jeder andere oberste Magistrat und des Reichs und Gemeinwesens willen. Denn das Volk geht seiner Natur nach sowie in zeitlicher Hinsicht betrachtet seinen Regenten voraus, es ist mächtiger und steht höher als diese.“ Hier lässt sich deutlich der antike Gedanken der Dike erkennen.

Es ist daher durchaus der Majestät des Herrschers würdig, wenn er bekennt, „an die Gesetze gebunden zu sein. So sehr hänge seine Autorität von der des rechts ab, und größer als die Herrschaftsgewalt sei es in der Tat, diese den Gesetzen zu unterstellen.“

Althusius beruft sich hier auf Platon, der sagt: „Ich sehe den Untergang für jeden Staat kommen, in dem nicht das Gesetz über den Herrscher bestimmt, sonder dieser über das Gesetz“ (De legibus, lib. 4).

Zitate aus: Detmar Doering: Kleines Lesebuch über den Föderalismus, Sankt Augustin 2013 (Academia Verlag), S. 31ff   -   Weitere Literatur:  Johannes Althusius: Politica, Berlin 2003 (Duncker und Humblot)

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