Donnerstag, 29. Januar 2015

David Hume und die Strafe der ewigen Verdammnis

Seit seiner Entstehung ist das Verhältnis des Liberalismus zur Religion mit Sicherheit nicht ungebrochen. Die Auseinandersetzung fand zunächst auf kognitiver Ebene statt, d.h. es ging um die Frage, ob wir die von der Religion proklamierten Wahrheiten überhaupt erkennen können. Wenn man von der Prämisse ausgeht, dass menschliches Wissen prinzipiell beschränkt ist, dann muss man mit Friedrich von Hayek den Religionen vorwerfen, sie beruhen auf einer „Anmaßung von Wissen“.

Protagoras (490 - 420 v. Chr.)
Der von den Religionen erhobene Absolutheitsanspruch – „Wir sind die einzig wahre Religion!“ – wurde gleichwohl schon im Agnostizismus der Antike, vor allem durch den Sophisten Protagoras, vertreten: „Von den Göttern vermag ich nicht festzustellen, weder, dass es sie gibt, noch, dass es sie nicht gibt, noch, was für eine Gestalt sie haben, denn vieles hindert ein Wissen hierüber: die Dunkelheit der Sache und die Kürze des menschlichen Lebens“ (18 fr. 4).

Die Tatsache, dass jede Religion mit einer Soziallehre verbunden ist, die normative Aussagen über Gesellschaft, Politik, Recht und Wirtschaft trifft, führt zu einem weiteren Konfliktfeld. Im Kern geht es um die Trennung von Religion und Staat. So haben viele Vertreter des Liberalismus den religiös neutralen und säkularen Staat einschließlich der „Betonung des privaten Charakters der Glaubens“ verteidigt. Dabei war es nicht immer einfach, „den liberalen Säkularismus vom illiberalen Laizismus zu trennen“, denn „in seinen Extremformen konnte der illiberale Laizismus zum säkularen Tugendterror gegen Geistliche während der Jakobinerherrschaft der Französischen Revolution oder im 20. Jahrhundert zu den `atheistischen´ Regimes des Sowjetkommunismus oder der Errichtung `panarabischer´ Diktaturen in der islamischen Welt führen.“

Dass die naturrechtliche Lehre von der Unantastbarkeit der Person in ihren individuellen Rechten und ihrer Menschenwürde historisch aus den religiösen Vorstellungen des Christentums erwachsen ist – und gegen die Interessen der klerikalen Hierarchie durchgesetzt werden musste -, ist eine Tatsache. Ob daraus jedoch die Konsequenz folgt, dass diese religiösen Vorstellung auch heute noch „den Begründungskontext für eine freiheitliche Gesellschaft darstellen, darüber streiten sich die Gemüter.“

Eignen sich religiöse Vorstellungen noch als Begründungskontext
in einer freiheitlichen Gesellschaft?

David Hume jedenfalls hält die Religion für ungeeignet, „die Fundamente zu einer humanen Rechtsordnung zu legen und findet religiös-transzendentale Begründungen unrealistisch oder gar gefährlich.“ Hume richtet sich vor allem gegen das Argument der sozialen Nützlichkeit der Religion. John Stuart Mill wird später dieses Argument als nicht sehr schlagkräftig bezeichnen: „Die Nützlichkeit der Religion musst erst angeführt werden als die Argumente zugunsten ihrer Wahrheit in großem Umfang aufhörten zu überzeugen. Die Menschen müssen entweder zu glauben aufgehört haben oder aufgehört haben, dem Glauben anderer zu vertrauen, bevor sie sich auf dieses schwächere Argument der Verteidigung einlassen – ohne Bewusstsein, dass sie so erniedrigen, was sie zu erhöhen trachten. Das Argument der Nützlichkeit der Religion ist ein Appell an die Ungläubigen, um sie zur Praxis einer gutgemeinten Heuchelei zu bekehren“ (zit. nach Doering, 18).

David Hume (1711 - 1776)
Für Hume ist es vor allem die Strafe der ewigen Verdammnis, die ihm als vollkommen moralisch unangemessen für eine freiheitliche Gesellschaft erscheint.

Strafe und Bestrafung sind zwar in keiner Gesellschaftsordnung wegzudenken, aber Bestrafung „ohne Zweck und Absicht ist mit unseren Vorstellungen von Güte und Gerechtigkeit unvereinbar.“ Hume kritisiert vor allem die Unangemessenheit und Maßlosigkeit der religiösen Strafen: „Warum dann ewige Strafen für die zeitlichen Vergehen eines so schwachen Geschöpfes wie des Menschen? […] Himmel und Hölle setzen zwei verschiedene Arten von Menschen voraus, die guten und die bösen. Aber der größte Teil der Menschheit schwankt zwischen Laster und Tugend. Wenn jemand in der Absicht die Welt durchwandern wollte, den Rechtschaffenen eine gute Mahlzeit und den Bösen eine ordentliche Tracht Prügel zu geben, so würde ihm die Wahl häufig schwerfallen und er würde feststellen, dass Verdienst und Schuld der meisten Männer und Frauen kaum groß genug sind, um weder das eine noch das andere zu rechtfertigen.“

So ist es wenig nützlich für das Zusammenleben der Menschen, einen anderen als den menschlichen Maßstab von Billigung und Tadel vorauszusetzen, denn: „Woher, wenn nicht aus unseren eigenen Empfindungen lernen wir, dass es so etwas wie moralischen Entscheidungen gibt?“

Ewige Verdammnis für zeitliche Vergehen?

Hochmittelalterliche Darstellung der Hölle im Hortus-Deliciarum-
Manuskript der Herrad von Landsberg (um 1180)
So ist die „Hauptquelle moralischer Vorstellungen“ allein das Nachdenken über die individuellen Interessen und die Interessen der menschlichen Gemeinschaft. Eben diese beiden Interessen beruhen auf dem öffentlichen Vernunftgebrauch und haben es gar nicht nötig, durch ewige und unendliche Strafen geschützt zu werden: „Die Verdammnis eines einzigen Menschen ist ein unendlich größeres Übel in der Welt als der Umsturz von tausend Millionen von Königreichen.“

Man könnte es auch mit Voltaire halten, der gesagt hat: „Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen.“

Zitate aus: Detmar Doering: Kleines Lesebuch über Freiheit und Religion, Argumente der Freiheit, Band 31, FNS Für die Freiheit, Berlin 2013. hier: S. 7-19; 24-30  -  Weitere Literatur: David Hume: Die Naturgeschichte der Religion. Über Aberglaube und Schwärmerei. Über die Unsterblichkeit der Seele. Über Selbstmord, Hamburg 1999 (Meiner)  -  Wilhelm Capelle: Die Vorsokratiker, Stuttgart 2008 (Kröner), hier: S. 273  -  John Stuart Mill: Drei Essays über Religion, Stuttgart 1999 (Reclam)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen