Donnerstag, 28. August 2014

Heinz D. Kurz und die Charakteristika der ökonomischen Klassik

In seinem Buch über die Geschichte der ökonomischen Ideen kommt Heinz D. Kurz auf acht Merkmale, die das klassische ökonomische Denken kennzeichnen:


Pierre Le Pesant de Boisguilbert
(1646 – 1714)
William Petty
(1623 - 1687)

1. Klassisches ökonomisches Denken geht von der Prämisse aus, dass die Geschichte das Ergebnis menschlicher Handlungen ist, aber nicht die Ausführung irgendeines menschlichen Plans – oder wie es Adam Ferguson (1723 – 1830) ausgedrückt hat: „History ist he result of human action, but not the execution of any human design.“ Übertragen auf die Ökonomie bedeutet dies, dass das menschliche Handeln gesamtwirtschaftliche Konsequenzen führt, die vom Einzelnen weder beabsichtigt noch vorhergesehen sind.

Interdependenz wird so zu einem zentralen analytischen Instrument, indem man begreift, dass verschiedene Akteure und Wirtschaftszweige wechselseitig voneinander abhängen.

Die Aufgabe der Politischen Ökonomie ist demnach die Analyse von intendierter und nicht-intendierter Konsequenzen, letztlich aber auch der Kampf gegen Aberglaube, Begeisterung und Hysterie in gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Dingen.

2. Wirtschaft wird als ein Gebilde begriffen, das eigenen Gesetzmäßigkeiten folgt, die erforscht, verstanden und genutzt werden können. Schon Francis Bacon hatte auf den praktischen Nutzen der Naturwissenschaften für den gesellschaftlichen Fortschritt verwiesen: „Wissen ist Macht!“

In diesem Sinne will auch William Petty nur eine Perspektive zulassen, die sich nur „in Zahl, Gewicht oder Maß ausdrückt und nur solche Fälle betrachtet, die sichtbare Grundlagen in der Natur haben.“ All das, was „von schwankenden Gemütern, Meinungen, Geschmäckern und Leidenschaften besonderer Menschen abhängt“, überlässt er der Betrachtung durch andere.

François Quesnay
(1694 – 1774)
Anne Robert Jacques Turgot
(1727 – 1781)











Es geht hier um ein quantitatives und empirisches Vorgehen, um positive Ökonomik sowie darum, die Verhältnisse durch kluge wirtschaftspolitische Maßnahmen zu verbessern. Quesnay und Smith bezeichnen die Wirtschaftswissenschaft ausdrücklich als Science of the legislator.„Wissen ist Macht!“ eben.

3. Seit Thomas Hobbes galt die Überzeugung, ein sich selbst überlassenes System versinke notwendig in Bürgerkrieg und Chaos – bellum omnium contra omnes. Dagegen wenden die Ökonomen nun ein: Eine auf Gewerbefreiheit und Freihandel ruhende Wirtschaft ist (unter gewissen Umständen) ein sich selbst regulierendes homöostatisches System.

Es ist die Idee des Gleichgewichts, das hier in die Vorstellungswelt der Ökonomie eingeht. Laissez faire, laissez passer, le monde va de lui-même – Lasst sie nur machen, lasst es geschehen, die Welt dreht sich von allein – so lautet die berühmte Formel des Liberalismus.

4. Der Bezugsrahmen der ökonomischen Klassik ist eine auf Privateigentum an den natürlichen Ressourcen und produzierten Produktionsmitteln beruhende Wirtschaft, in der private Akteure in Verfolgung eigener Ziele auf eigene Rechnung interagieren, ohne zentrale Lenkung.

Dieses privat-dezentrale System kann jedoch nur funktionieren, wenn die Aktivitäten über Märkte koordiniert werden, wenn es auf den Märkten zur Herausbildung von Preisen kommt, die alle im Zuge der Produktion anfallenden Kosten abdecken und natürlich den Akteuren ein ausreichend hohes Einkommen sichern.

5. Als Hauptquelle steigenden Wohlstands werden die heimische Arbeit und Produktion und die Entwicklung der Produktivität der Arbeit angesehen. Wenn die Klassiker in diesem Zusammenhang von Stromgröße sprechen, dann nehmen sie den modernen Begriff des Sozialproduktes vorweg.

Eine Nation ist arm oder reich nach Maßgabe der Größe des von ihr während eines Jahres pro Kopf der Bevölkerung netto erzeugten Stroms an Gütern.

Richard Cantillon
(1680 – 1734)
David Hume
(1711 – 1779)












6. Die Gesellschaft ist unterteilt in verschiedene Klassen, deren Mitglieder unterschiedliche Rollen im Prozess der Erzeugung, Verteilung und Verwendung des gesellschaftlichen Reichtums zukommen. Hier handelt es sich um die Grundbesitzer, die Arbeiter und die Kapitaleigner.

7. Konkurrenz ist für die klassischen Ökonomen die Rivalität zwischen Anbietern und Nachfragern einer Sache. Firmen konkurrieren um Marktanteile, Arbeiter um Arbeitsplätze, Pächter um Grund und Boden. Bei Smith ist freie Konkurrenz das Ideal schlechthin. Sie bezeichnet die Abwesenheit jeglicher Markteintritts- wie Marktaustrittsschranken. So sind Monopole und Privilegien generell Mobilitätshemmnisse für Arbeitskräfte und Kapital – sie gereichen allein zum Vorteil Einzelner und zum Nachteil Vieler.

Freie Konkurrenz wirkt wie eine „unsichtbare Hand“ (Smith), die sich ohne zu strafen des Eigeninteresses der Menschen bedient. Kommt es auf dem Markt zu Güterknappheit, dann treibt die Konkurrenz der Nachfrager den Marktpreis in die Höhe. Die Aussicht auf hohe Gewinnspannen lockt Kapital und Arbeitskräfte an, es kommt zu einer Steigerung der erzeugten Gütermenge, was wiederum die Senkung des Marktpreises bewirkt.

Adam Smith
(1723 – 1790)
David Ricardo
(1772 – 1823)











Diese rastlose Suche der Kapitalseigner nach möglichst hohen Profiten und der Arbeiter nach möglichst hohen Löhnen führt der Tendenz nach zur Herausbildung einer allgemeinen, tendenziell einheitlichen Profitrate.

8. Dem Konzept einer allgemeinen Profitrate korrespondiert das Konzept der „natürlichen“ Preise oder Produktionspreise. Während die Produktionspreise die systematisch und dauerhaft wirkenden Kräfte widerspiegeln, wirken in die Marktpreise eine Vielzahl von zufälligen und vorübergehenden Faktoren hinein (z.B. das Wetter oder Naturkatastrophen)

Zitate aus: Heinz D. Kurz: Geschichte des ökonomischen Denkens, München 2013 (C.H.Beck)


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