Donnerstag, 6. Februar 2014

Ludwig Feuerbach und der Mensch


Ludwig Feuerbach
Wie viele andere Philosophen des 19. und 20. Jahrhunderts entwickelte auch Ludwig Feuerbach (1804 – 1877) seine Ideen vom `wahren´ Menschen unter dem Einfluss der spekulativen Philosophie Friedrich Hegels.

Ausgehend von der spekulativen Grundannahme, dass der Weltgeist (auch „absoluter Geist“, „Weltvernunft“, „absolutes unendliches Sein“ oder „Gott“) die Welt in einem Akt schöpferischer Selbstentäußerung erschaffen hat, gelangt Hegel zu dem Gedanken, dass der Weltgeist nun im Lauf der Geschichte schrittweise wieder Zu-sich-selber-kommen oder Sich-selber-bewusst-werden muss. In diesem Zusammenhang interpretiert Hegel Kulturen, Religionen, wissenschaftliche Ideen und  Rechtsvorstellungen als Entwicklungsstufen des Weltgeistes – und zwar in einem aufsteigenden und zielorientierten Prozess. „Im Verlauf dieses Prozesses entfaltet der Mensch schließlich seine Anlagen und Wesenskräfte und erkannt an der nach seinen Ideen und Plänen gestalteten Welt seine Sonderstellung und Überlegenheit über die Natur.“

Feuerbach jedoch stellt Hegels Deutungsschema der Weltgeschichte als das Zu-sich-selber-kommen des absoluten Weltgeistes schlicht auf den Kopf: „Während es in Hegels geschichtsspekulativer Konzeption der absolute Geist oder Gott ist, der sich die Welt – und damit auch den Menschen als einen Teil der Welt – als ein Fremdes gegenübergestellt hat, ist es für Feuerbach der Mensch, der sich Gott oder den absoluten Geist Hegels als ein Fremdes gegenüberstellt.“

Die Konsequenz aus diesem Ansatz ist die bekannte Projektionshypothese, der zufolge die Idee von einem Gott und andere religiöse Vorstellungen wie göttlichen Wundern oder dem ewigen Leben der Seele lediglich das Ergebnis von Wunschprojektionen des Menschen sind: „Stellt er sich Gott als allwissend, unendlich, allmächtig, gütig und liebend vor, geschieht dies deswegen, weil die eigenen Wünsche und Sehnsüchte nach Vollkommenheit, Unendlichkeit, Unsterblichkeit, Allmacht, Glück und Geliebtwerden aufgrund von Schranken, die entweder von der Natur gesetzt sind oder von gesellschaftlichen Umständen her rühren, nicht in Erfüllung gehen.“

Das Ergebnis der Projektion

Gleichwohl könne man aus diesen Projektionen wertvolle Hinweise auf die Wesenstruktur des Menschen gewinnen. So erweitert sich die Religionskritik Feuerbachs zu einem Nachdenken über die Natur des Menschen mit dem Ziel einer realitätsgerechten Anthropologie.

Während Hegel aus dem Menschen also ein „abstraktes, seiner empirischen Realität entleertes Vernunft-Ich“ mache, betont Feuerbach die sinnliche Natur des Menschen: „Mit der Betonung der Sinnlichkeit wird der Mensch als ein Wesen gesehen, das bei der Selbstverwirklichung entscheidend von seiner Leiblichkeit, d.h. von Gefühlen, Affekten, Leidenschaften, Instinkten, Trieben, emotionalen Interessen usw. bestimmt wird.“

Gleichwohl verteidigt Feuerbach keinen dualistischen Gegensatz von Körper und Vernunft. Wenn er von „sinnlicher Vernunft“ oder „intelligenter Sinnlichkeit“ spricht, dann hat er dabei vielmehr die Vereinigung dieser beiden Seiten der menschlichen Existenz im Blick.

Weil nun der Mensch wie erwähnt beim seiner Suche nach Glück immer wieder an Grenzen stößt, die von der Natur oder der Gesellschaft gesetzt werden, schafft er sich mit Hilfe der Phantasie die religiösen Ideen „zum Zweck der illusionären Kompensationen seiner unbefriedigten Wünsche und Versagungen.“

Die Konsequenz daraus ist, dass die Wunscherfüllung allein in der bloßen Phantasie die realitätsgerechte Bewältigung des Alltags behindert. „Religiöse Ideen und Vorstellungen nehmen einen Teil der Aufmerksamkeit gefangen, die zur Verbesserung der physischen und sozialen Lebensbedingungen, besonders der zwischenmenschlichen Beziehungen, nötig wäre.“

Dies ist der Hauptgedanke von Feuerbachs Menschenbild: Weil sich das Wesen des Menschen nur in der Beziehung zum Mitmenschen verwirklichen kann, müssen „alle Bemühungen und emotionalen Kräfte, die bisher in die Verehrung von Göttern investiert wurden, auf die zwischenmenschlichen Beziehungen konzentriert werden.“ In den Worten Feuerbachs: „Das Wesen des Menschen ist nur in der Gemeinschaft, in der Einheit des Menschen mit dem Menschen enthalten – eine Einheit, die sich aber auf die Realität des Unterschieds von Ich und Du stützt“ (Grundsätze zur Philosophie der Zukunft).
 
Das Wesen des Menschen kann sich nur in der Beziehung zum Mitmenschen verwirklichen.

Feuerbach vertritt hier einen konsequenten und kompromisslosen Anthropozentrismus, indem er jede metaphysische Instanz auf der Vorstellung vom wahren Menschen ausschließt: „Ist das Wesen des Menschen das höchste Wesen des Menschen, so muss auch praktisch das höchste und erste Gesetz die Liebe zum Menschen sein. Homo homini Deus est – dies ist der oberste praktische Grundsatz – dies ist der Wendepunkt der Weltgeschichte“ (Das Wesen des Christentums).

Anstatt also seine emotionalen Fähigkeiten, sein „Humankapital“ in der Verehrung eines Gottes zu vergeuden, soll der Mensch seine Liebe ausschließlich auf das mitmenschliche Du konzentrieren: „Wir sollen den Menschen um des Menschen willen lieben. Der Mensch ist dadurch Gegenstand der Liebe, dass er Selbstzweck, dass er ein vernunft- und liebesfähiges Wesen ist“ (ebd.).

Die Liebe stellt somit neben der Vernunft ein grundlegendes Wesensmerkmal des Menschen dar, das ihn von allen anderen Lebewesen unterscheidet. Diese Liebe darf darum „weder über einen Gott vermittelt sein, wie die christliche Nächstenliebe, noch durch Vernunft gebotene Fernstenliebe oder eine bloß im rationalen Sinn verstandene, platonische Liebe sein.“ Eine bloße individuelle Selbstverwirklichung ohne Beziehung zu anderen Menschen könne ebenfalls nicht dem wahren Menschsein entsprechen, denn ein einsames Individuum ist „mangelhaft, unvollkommen, schwach und bedürftig.“

Das wahre Menschsein lässt sich also nur in der spezifisch menschlichen Beziehung verwirklichen. Nur in der Liebe zwischen Menschen, in der Ich-Du-Beziehung kann zugleich auch die Verschiedenheit des Dialog-Partners respektiert werden.


Zitate aus: Kurt Salamun: Wie soll der Mensch sein? Philosophische Ideale vom `wahren´ Menschen von Karl Marx bis Karl Popper, Tübingen 2012 (Mohr Siebeck)

2 Kommentare:

  1. Como diría Jung: “La idea de un ser divino y omnipotente está por todas partes, si no con reconocimiento consciente, entonces con aceptación inconsciente . . . Por eso, considero que es más sabio reconocer conscientemente la idea de Dios; de lo contrario, otra cosa llega a ser dios, generalmente algo muy impropio y estúpido.”

    Gran entrada.

    Un saludo desde Reinado de Carlos II

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  2. Muchas gracias Carolus Rex

    La cita de Jung es muy acertada. Lutero por ejemplo dijo: "Donde esta tu corazón ahí esta tu Dios" - En el peor de los casos puede ser el dinero, el poder o incluso el Porsche en el garage

    La cuestión es: ¿Necesita el hombre la religión? ¿Es ser religioso una muestra de debilidad? Alfred Döblin, el gran escritor alemán, dijo ante los que le criticaron por su conversión al cristianismo: "No estoy enfermo, no estaba enfermo, no estaré enfermo."

    A lo mejor en cuanto a la cuestion en juego nos tenenmos que aferrar a lo que algunos llaman "autotrascendencia" (en alemán: Selbsttranszendenz): Reflexionar sobre las experiencias en que las personas conseguimos librarnos de nosotros mismos. Si llegamos a descubrir lo divino o siempre nos encontramos a nosotros - eso si es una cuestión abierta.

    Un saludo
    Paideia

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