Donnerstag, 26. Juli 2012

Konfuzius und die Pflichten in Staat und Gesellschaft

Konfuzius, der großen Lehrer der chinesischen Philosophie, vertrat eine an der „Goldenen Regel“ orientierte Wohlwollensethik (Agapismus).

Konfuzius (551 - 479 v. Chr.)

Das Ziel im Leben eines jeden Menschen bestehe nach Konfuzius darin, ruhig und besonnen leben, um auf diese Weise sein inneres Gleichgewicht zu finden, das wiederum mit dem Gleichgewicht in der Natur und im Kosmos korrespondiert.

In diesem Zusammenhang spielt die Lehre von den Pflichten bei Konfuzius eine entscheidende Rolle. Er unterscheidet hier zwischen den Pflichten des Einzelnen sich selbst gegenüber, den Pflichten in der Familie und den Pflichten in Staat und Gesellschaft.

Dem Konfuzianismus ist immer wieder angekreidet worden, dass er eine restaurative und reaktionäre Staats- und Gesellschaftstheorie verkünde, die bestehendes Unrecht legitimiere, jeder Veränderung aber entgegenstehe. Insbesondere die Funktion der Vergangenheit als politisches und soziales Vorbild auch für die Gegenwart wird als fortschrittsfeindlich verdammt.

Trotz mancher eindeutig konservativer Züge ist dies Kritik am Konfuzianismus jedoch als zu pauschal zurückzuweisen. Konfuzius stellt sehr strenge Anforderungen an Herrscher und Minister.

Der Herrscher solle durch die Kraft seiner Tugend und seines Vorbildes wirken. Konfuzius sieht eine auf Gesetzen beruhende Herrschaft durchaus kritisch, denn Gesetze würden auch dazu verleiten, sie irgendwie zu umgehen.

Den idealen Herrscher charakterisiert Konfuzius etwa wie folgt:

„Der Meister sprach: Wer kraft seines Wesens und kraft seiner Vernunft herrscht, gleicht dem Nordstern. Der verweilt an seinem Ort und alle Sterne umkreisen ihn.“ (42)

„Wer selbst recht ist, braucht nicht zu befehlen: und es geht. Wer selbst nicht recht ist, der mag befehlen: doch es wird nicht gehorcht.“ (132)

Konfuzius im Gespräch mit seinen Schülern

In den Gedanken des Konfuzius drückt sich sehr großes Vertrauen in den Eigenwert der Tugend aus, das dem Konfuzianismus einen etwas utopischen Zug verleiht.

„Dsi Gung fragte nach der rechten Art der Regierung: Der Meister sprach: Für genügende Nahrung, für genügende Wehrmacht und für das Vertrauen des Volkes zu seinem Herrscher sorgen. Dsi Gung sprach: Wenn man aber keine Wahl hätte, als etwas davon aufzugeben: auf welches von den drei Dingen könnte man am ehesten verzichten? Der Meister sprach: Auf die Wehrmacht. Dsi Gung sprach: Wenn man aber keine Wahl hätte, als auch davon eines aufzugeben: auf welches der beiden Dinge könnte man am ehesten verzichten? Der Meister sprach: Auf die Nahrung. Von alters her müssen alle sterben; wenn aber das Volk keinen Glauben hat, so lässt sich keine Regierung aufrichten.“ (123)

Für Konfuzius ist daher klar, dass Herrscher, die keinen Widerspruch und keine Kritik zulassen, früher oder später ihren eigenen Untergang herbeiführen.

„Der Meister sprach: Wenn einer durch sein Wissen ein Amt erreicht hat, aber es nicht durch seine Sittlichkeit bewahren kann, so wird er es, obwohl er es erlangt hat, verlieren. Wenn einer durch sein Wissen es erreicht hat, durch seine Sittlichkeit es bewahren kann, aber bei seiner Ausübung keine Würde zeigt, so wird das Volk ihn nicht ehren. Wenn einer durch sein Wissen es erreicht hat, durch seine Sittlichkeit es bewahren kann, bei seiner Ausübung Würde zeigt, aber es nicht entsprechend dem Gesetz der schönen Form bewegt, so ist er noch nicht tüchtig.“ (160)

Auch wenn Konfuzius damit rechnet, dass ein Herrscher aus eigener Schuld und damit zu Recht die Herrschaft verlieren kann, so verteidigt er gleichwohl kein aktives Widerstandsrecht oder – als ultima ratio – den Tyrannenmord.

Das Ideal des konfuzianischen Staates beschreibt Konfuzius mit folgenden Worten:

„Wenn die Oberen die Ordnung hochhalten, so wird das Volk nie wagen, unehrbietig zu sein. Wenn die Oberen die Gerechtigkeit hochhalten, so wird das Volk nie wagen, widerspenstig zu sein. Wenn die Oberen die Wahrhaftigkeit hochhalten, so wird das Volk nie wagen, unaufrichtig zu sein. Wenn es aber so steht, so werden die Leute aus allen vier Himmelsrichtungen mit ihren Kindern auf dem Rücken herbeikommen.“ (131f)

Die Gedanken des Konfuzius haben auch heute nichts von ihrer Kraft eingebüßt: Welcher der heutigen Politiker kann schon als „Vorbild“ gelten? Könnte es sein, dass es ebenso wie vor 2500 Jahren auch heute nicht gerade die „Edelsten“ sind, die in Staat und Politik das Sagen haben …?
  
Zitate aus: Zitate aus: Kungfutse: Gespräche. Lun Yü, übersetzt und erläutert von Richard Wilhelm, München 1994 (Diederichs)

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